Freie Pfälzer, Nazistrukturen und Querdenker*innen: Eine explosive Mischung
Nach unseren Erkenntnissen ist es sehr naheliegend, dass die Partei „Der 3. Weg“ im Verbund mit anderen Leuten aus der Neonazi-Szene das Label „Freie Pfälzer“ nutzt um die Coronaproteste anzuschieben um diese für ihre Propaganda zu nutzen. Dabei hilft ihnen die Nichtabgrenzung der Querdenker-Szene gegenüber der extremen Rechten.
Wenn sich jene Querdenker und Coronamaßnahmenkritiker*innen im Freiheitskampf wähnen, von einer Coronadiktatur und Weltverschwörung schwadronieren und mit über 1000 Menschen in das Fahrwasser einer von Neonazis ausgehenden Mobilisierung begeben, muss man davon ausgehen, dass der Geschichtsunterricht bei diesem Teil der Bevölkerung versagt hat.
Das die Nazis als Brandbeschleuniger innerhalb der Querdenker-Szene wirken können ist auch das Ergebnis einer eklatanten Fehleinschätzung der Sicherheitsorgane des Landes Rheinland-Pfalz und der Verharmlosung der Aktivitäten durch den Großteil der politischen Akteure.
Angesichts dieser Ausgangssituation ist es unumgänglich sich der Gefahr bewusst zu werden und die Zivilgesellschaft wachzurütteln. Das Problem ist die Corona-Pandemie und nicht die Schutzmaßnahmen, auch wenn es (auch von unserer Seite) viel Kritik an deren Unausgewogenheit und der Umsetzung gibt. Das steht aber auf einem anderen Blatt.
Die ausführliche Recherche finden Sie unterhalb:
Recherche zu den Coronaleugner-„Spaziergängen“ in KL an den vergangenen zwei Montagen
Zu den letzten beiden Spaziergängen in Kaiserslautern, sowie zu weiteren Spaziergängen in RLP und Mannheim mobilisierte in erster Linie eine sich als „Freie Pfälzer“ bezeichnende Gruppe über den Chatanbieter Telegram.
Wer sind diese „Freien Pfälzer“ überhaupt und was wissen wir mittlerweile über sie?
Ehrlich gesagt: Noch nicht allzuviel! Eine Gruppe od. Organisation namens „Freie Pfälzer“ ist vor dem ersten „Spaziergang“ weder inhaltlich noch personell in irgendeiner Form in Erscheinung getreten. Da sie diese Protestzüge als nichtanmeldungspflichtige Spaziergänge organisiert haben, trat im Bezug darauf auch keine Person oder Organisation in Erscheinung.
Neue Erkenntnisse
Was wir mittlerweile haben, sind von einer Gruppe unter dem Namen „Freie Pfälzer Kaiserslautern“ veröffentlichte Fotos und Screenshots. Die Fotos zeigen mehrere Menschen, die zu einer Wintersonnenwendfeier an einer Grillhütte in der Westpfalz zusammengekommen sind und Screenshots, die sich teilweise auf die Aufmärsche in Kaiserslautern bezogen.
Diese zeugen einerseits von der Feierlaune in Bezug auf die „erfolgreichen“ Veranstaltungen, inklusive den Dank an die Zurückhaltung der Ordnungskräfte. Es sind aber auch welche darunter, die durchaus den Eindruck erwecken, gezielt in Richtung Radikalisierung der am Marsch beteiligten zu wirken. Wie zum Beispiel eine Umfrage, die als Antwortmöglichkeit die Todesstrafe und die verklausulierte Möglichkeit der Einrichtung von KZ‘s für die Verantwortlichen der Coronamaßnahmen in Betracht zieht, oder das Bild eines Galgens mit einem Liedtext, in dem besungen wird "all die hohen Herrn" an den Laternen zu hängen.
Die Bilder von der Sonnenwendfeier haben ebenfalls martialischen Charakter. Auch das Foto von einer Tischszene mit einer Person die eine Basecap mit Eisernem Kreuz trägt und eine Knarre (ob nun eine stilisierte oder echte ist nicht genau zu erkennen) vor sich liegen hat.
Aus diesen Fotomaterial kann durchaus geschlossen werden, dass es bei der Gruppe Freie Pfälzer nicht um ein paar friedlich gesinnte Esoteriker*innen handelt.
Wer aber 1 und 1 zusammenzählen kann, kommt nach kurzer Recherche zu der Erkenntnis, dass es sich bei den „Freien Pfälzern“ um eine Ausgliederung der Neonazipartei Der 3.Weg handelt. Diese Annahme wird auch dadurch unterstrichen, dass einige Anhänger der Partei mit ihren beschrifteten grünen Hoodies am Spaziergang in KL teilgenommen haben. Auch der Vorsitzende Armstroff und ein führendes Mitglied der Neonazigruppe Nationaler Widerstand Zweibrücken waren unter den Teilnehmern des zweiten Spaziergangs.
Wie kommen wir zu dieser Einschätzung?
Wie auch Recherchen der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ nahelegen bezieht sich der Name in Bezug auf Proteste gegen Coronamaßnahmen auf den Namen der sächsischen Partei „Freie Sachsen“. Diese Partei ist im Moment an vorderster Front tätig, wenn es um die Radikalisierung von Coronaprotesten geht. Auch an dem in allen Medien präsenten Fackelmarsch vor das private Wohnhaus der dortigen Gesundheitsministerin waren sie federführend beteiligt. Immer im Schlepptau oder als Mitorganistatoren tätig: Der 3.Weg.
Selbst dem sächsischen Verfassungsschutz ist aufgefallen, dass beide Parteien eng zusammenarbeiten. Es gab zum Bsp. einen gemeinsamen Aufruf zum selbstorganisierten Grenzschutz gegen Geflüchtete die über die Belarus-Route und die polnische Grenze nach Sachsen kommen könnten.
So arbeiten beide Gruppierungen auch an der Radikalisierung der Coronaproteste. Auch die Taktik auf unangemeldete Spaziergänge auszuweichen, wenn es Anmeldungsprobleme bei Protestzügen geben könnte oder gibt ist von beiden Organisationen zur Anwendung gekommen. Es gab auch Proteste, bei denen gezielt auf radikale Symbole und Transparente verzichtet wurde. Trotzdem sammelte der 3. Weg, erkennbar durch ihre Einheitskleidung in den Reihen der Demonstrierenden Unterschriften für die Zulassung zur Bundestagswahl.
- https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/freie-sachsen-pandemie-proteste-nur-als-vorwand
- https://www.chronikle.org/ereignis/corona-kundgebung-grimma-starg%C3%A4sten-berlin-propaganda-nazi-partei-dritte-weg
Und was hat das mit den Pfälzern zu tun?
Dazu ein paar durchaus plausible Vermutungen: Da es in der Region Rhein-Neckar und RLP keine adäquate Organisation gibt, hat die Nazi-Partei Der 3. Weg eine solche Ausgliederung geschaffen um unter diesem Deckmantel neutraler agieren zu können. In wiefern weitere Neonaziorganisationen wie der NW Zweibrücken und weitere Reichsbürger an Bord sind muss weiter beobachtet werden.
Selbst DIE RHEINPFALZ stellte fest, dass es unter dem Label der „Freien Pfälzer“ noch die Einladung zu einer Wehrsportgruppe gibt. Das wiederum ist nicht sehr neutral und wohl als Anreiz für Leute auch unter den Coronaleugnern zu verstehen sich radikalisierend und militant fortzubilden. Der normale Account wird zur Mobilisierung genutzt. In wieweit dort Propaganda betrieben wird ist von außen nicht wahrnehmbar.
- https://www.rheinpfalz.de/pfalz_artikel,-corona-protest-wie-radikal-sind-die-freien-pf%C3%A4lzer-_arid,5290772.html?reduced=true
- https://www.rheinpfalz.de/pfalz_artikel,-corona-demos-warum-die-polizei-spazierg%C3%A4nger-gew%C3%A4hren-lie%C3%9F-_arid,5291613.html?reduced=true
Aber auch der DGB hat seine Schlüsse aus dem bisher bekannten über die „Freien Pfälzer“ gezogen
Die Rolle der Sicherheitsorgane
„Die Verfassungsschutzbehörde des Landes Rheinland-Pfalz spricht im Zusammenhang mit den "Freien Pfälzern" von einer Gruppierung oder einem Internetphänomen. Eine abschließende Bewertung sei noch nicht möglich, weil die "Freien Pfälzer" erst seit Kurzem existieren.“
Dass der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz keine Ahnung von dem hat, was da getrieben wird kann man schwerlich glauben. Gerade im Bezug auf die Nazis vom 3. Weg müsste es ja auch so etwas wie eine Zusammenarbeit der Landesbehörden geben. Falls es diese gibt, dann nicht mit dem Ziel die Bevölkerung von rechten Umtrieben zu schützen. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Seit der NSU-Mordserie und den Terroranschlägen von Hanau und Halle hat sich scheinbar nichts getan.
Dass die Polizei bei den vielen gleichzeitig angemeldeten Veranstaltungen nicht mit viel Personal vor Ort war, hängt mit der Gefahreneinschätzung zusammen. Wenn diese fehlgeleitet ist, sind auch die Einheiten der hiesigen Bereitschaftspolizei oder anforderbare auswärtige Kräfte nicht zur Verfügung. Auch das Laufenlassen des zweiten Aufmarschs spricht dafür, dass es trotz aller Erkenntnisse, Presserecherchen und offenkundigen Eigenveröffentlichungen der Szene kein Interesse der Sicherheitsorgane gibt der faschistischen Durchdringung der Coronaproteste aktiv entgegenzutreten.
Zur weiteren Einschätzung
DIE RHEINPFALZ hat den hiesigen Behörden Hinweise geben müssen, wie die nichtgenehmigungspflichtigen Spaziergänge ausgehebelt werden können. In einigen Städten vor allem in der Südpfälz wurden Zusammenkünfte verboten. In Kaiserslautern wurde am Montag vor dem zweiten Aufmarsch mitgeteilt, dass man ein Verbot über eine Allgemeinverfügung prüfe. Diese wurde viel zu spät beschlossen und veröffentlicht und ist nun vom 23.12.2021 bis zur zweiten Januarwoche 2022 gültig.
Festzuhalten ist, dass es bei den bisherigen „Spaziergängen“ keinerlei Einschreiten von Seiten der Ordnungskräfte, wegen Nichteinhaltung der Maskenpflicht gab. Wie in der Rheinpfalz zu lesen, konnten Nazis wohl offen innerhalb des Aufmarsches agieren und ihre „Informationen“ verteilen.
Falls die Aufzüge angemeldet werden müssen, gehen wir weiterhin davon aus, dass sich niemand als Mitglied der „Freien Pfälzer“ offenbart und die Versammlung legalisiert. Wenn die „Freien Pfälzer“ eine eigenständige Organisation demokratischer Kritiker(innen) der Coronamaßnahmen sind sollten sie das öffentlich kundtun.
Was passieren kann oder sogar wird, ist dass Leute aus dem Querdenker-Milieu die ganze Sache auf sich nehmen. Natürlich aus scheinbar demokratischer Gesinnung. Die Äquidistanz war in den Kommentarspalten zu unseren Pressemitteilungen eindeutig sichtbar.
Das Einzige was hilft ist die Aufklärung der demokratischen Öffentlichkeit über den Charakter der derzeitigen Mobilisierung und konkrete bündnisorientierte Gegenmobilisierungen, die selbst nicht mit Kritik an der derzeitigen Coronapolitik spart.
DIE LINKE. Stadtverband Kaiserslautern
22.12.2021